Wildbienen (in der Schweiz über 600 Arten) sind besonders wichtige Bestäuber – mit ihnen viele weitere wildlebende Insekten wie Käfer, Fliegen, Wespen, Schmetterlinge etc. Sie sind von grösster und zentraler Bedeutung für die Biodiversität. Sie bestäuben effizienter, früher, länger und in höheren Lagen als Honigbienen.
Sie erbringen zwei Drittel der Bestäubungsleistung, Honigbienen nur einen Drittel.
Eine internationale Studie mit 40 Forschungsgruppen untersuchte weltweit, wie wichtig wilde Bestäuber für Nutzpflanzen in verschiedenen Anbausystemen sind und konnte nachweisen, dass wilde Insekten effektivere Bestäuber als domestizierte Hongbienen sind. Honigbienen sind kein Ersatz für wilde Bestäuber, da sie weder die Bestäubung maximieren noch den Beitrag kompensieren können, welche wilde Bestäuber leisten:
"Wild pollinators enhance fruit set of crops regardless of honey-bee abundance" (2013)
ETH Blog "Mehr als Bienen" dazu
Einige Zahlen, welche die Leistung verdeutlichen: zB können 600 Mauerbienenweibchen einen Hektar Obstbäume bestäuben, für die gleiche Leistung bräuchte es rund 120'000 Honigbienen. Oder schon eine einzige Hummelkönigin kann im April den grössten Teil der Ernte eines Apfelbaumes sichern. Oder an einem optimalen Tag besucht eine Honigbiene 2000-3000 Blüten, eine Hummel 4500-5600, eine Solitärbiene wie die Gehörnte Mauerbiene 4500 - 5600 oder eine Frühjahrs-Pelzbiene sogar bis zu 8800 Blüten.
Einige Wildbienen-Arten werden leider zunehmend kommerziell eingesetzt, so zB vor allem Erdhummeln (Bombus terrestris) in Gewächshäusern, Mauerbienen (Osmia cornuta und Osmia bicornis) im Obstbau, in Nordamerika zunehmend auch Blattschneiderbienen-Arten etc.
In der industriellen Landwirtschaft mit ihren Monokulturen fehlen die für Wildbienen nötigen Niststrukturen, weshalb es hier nicht so viele Hummeln und Solitärbienen geben kann, wie für die Bestäubung von unnatürlichen Monokulturen nötig wäre. Da der Ernteertrag aber immer um ein vielfaches höher ist, wenn auch wilde Bestäuber vorhanden sind, empfehlen Wissenschaftler eindringlich, natürliche und naturnahe Gebiete in Landwirtschaftsflächen zu schaffen. Ohne ökologische Aufwertung des Kulturlandes besteht die Gefahr, viele dieser essentiellen wilden Bestäuber zu verlieren.
Die einzige heimische Dunkle Honigbiene (Apis mellifera mellifera) ist ursprünglich aus Afrika über Gibraltar nach Europa eingewandert und hat sich über Jahrtausende als einzige an die lokalen Verhältnisse angepasst. Sie hatte eine natürlich begrenzte Volksdichte und kleine Volksstärke. 1843 wurde die Italienische Honigbiene (Apis mellifra ligustica) in die Schweiz eingeführt und führte zu einer Hybridisierung. Nach dem zweiten Weltkrieg führten Imker weitere fremde Zuchtrassen ein, die den Bestand der Dunklen Honigbiene weiter schmälerten. Ein heute züchterisch bearbeiteter Stamm der Dunklen Honigbiene wird von Imkern heute mit «Nigra» bezeichnet. Die heute wieder geförderte Dunkle Honigbiene stammt leider aus verschiedenen Unterrassen, eine stattlich koordinierte Wiedereinbürgerung der ursprünglichen Art (Nominatform) wäre wünschenswert.
Die domestizierten Honigbienen (in der Schweiz 1 einzige Art), die wir jedoch heute mehrheitlich antreffen sind Zuchtformen fremdländischer Rassen, welche die ursprünglich heimische weitgehendst verdrängt und verkreuzt haben. Zuchtrassen sind auf Hochleistung ausgerichtet und sammeln bis zu 15x mehr Blütenprodukte, als dies naturgemäss der Fall wäre. Sie sind anfälliger gegenüber Krankheiten, Witterung etc. und ohne menschlichen Eingriff nicht mehr langfristig überlebensfähig. Wild lebende Völker dieser Zuchtrassen gibt es kaum, sie wären in vielerlei Hinsicht problematisch, da es sich nicht um die ursprünglich heimische, angepasste Art handelt (mehr auch hier: Nutztiere auswildern?).
Domestizierte Honigbienen sind als Nutztiere in der industriellen Landwirtschaft von Bedeutung, aber relativ schlechte Bestäuber. Ihre Vorteile liegen in der ganzjährigen Verfügbarkeit und Mobilität. In der Schweiz halten ca. 20'000 Imker etwa 170'000 Honigbienenvölker. Der ökonomische Wert der Bestäubung allein für die Schweiz durch domestizierte Honigbienen wurde 2004 im Bereich Obst und Beeren mit 268,2 Millionen Franken (76%) berechnet, während Endprodukte (Honig, Wachs, Pollen etc.) nur 64,7 Millionen Franken (24%) ausmachen - hinzukommen die Bestäubung für den Ackerbau, die Saatgutproduktion und den Gemüsebau.
Es wäre deshalb sehr viel besser, die Bestäubungsleistung zu verkaufen statt Bienenprodukte, die für die Gesundheit der Bienen essentiell sind. Landwirte würden so auch vorsichtiger mit dem Einsatz von Agrochemikalien, die Bienen schaden.
Die Natur selbst jedoch käme ohne Honigbienen aus – es gibt keine Pflanzen, die auf die Honigbiene angewiesen sind und nur von ihr bestäubt werden können. So gab es zB in Amerika vor Kolumbus keine Honigbienen. Die aktuelle internationale Studie (Link oben) zeigte, dass Honigbienen auch im Bereich der Landwirtschaft von nicht so grosser Bedeutung sind, wie bisher angenommen und oft behauptet wurde. Darüber hinaus wird oft vergessen, dass viele Wild- und Nutzpflanzen von Honigbienen gar nicht bestäubt werden können.
Domestizierte Honigbienen können sogar der Biodiversität schaden, wenn eine Nahrungskonkurrenz zu den wilden Bestäubern besteht, die stark bedroht sind (insbesondere in Naturschutzgebieten und anderen Gebieten, die für Wildbienen besonders wichtig sind). Sie ziehen enorme Mengen an Nektar und Pollen ab.
2011 thematisierte eine Gruppe von englischen Wissenschaftlern, welche negativen Folgen die aktuelle Überbewertung der domestizierten Honigbiene für die viel dramatischere Situation der wilden Bestäuber hat und dass derzeitige "Rettet die Honigbienen"-Kampagnen mehr schaden als nützen können.
Im gleichen Jahr zeigte eine Studie, dass Honigbienen nur etwa 1/3 der Bestäubungsleistung erbringen, der wesentlich grössere Teil, 2/3 verdanken wir wilden Bestäubern und zwar in der Landwirtschaft wie auch für die Biodiversität.
Honigbienen in der Stadt?
Während "Honigbienen in der Stadt"-Projekte boomen, ist der kritische Hinweis nötig, dass es keine industrielle Landwirtschaft in der Stadt gibt. Ehrlicherweise ist der einzige Sinn hier die kommerzielle Gewinnung von Honig, keine natur- oder artenschützerischen Anliegen. Honigkonsum hilft aber den Honigbienen nicht, im Gegenteil - es wäre für ihr Immunsystem von enormer Bedeutung, dass er ihnen belassen wird und wir dafür auf den Honigkonsum verzichten (mehr dazu hier).
Das Fördern eines guten Nahrungsangebots und das Schaffen von Niststrukturen für Wildbienen wäre erheblich sinnvoller für Honigbiene und Wildbiene, als einseitig die Imkerei in der Stadt zu fördern. Es braucht nicht mehr ImkerInnen, da die Honigbienendichte in der Schweiz bereits sehr hoch ist, es braucht in erster Linie gesündere Honigbienen.
Da die Städte zu immer wichtigeren Rückzugsmöglichkeiten für Wildbienen werden, sollte man die Menge an Honigbienen in der Stadt begrenzen.
Problematisch ist auch die Krankheitsübertragung, die von Honigbienen auf Wildbienen ausgeht. Gerade die Varroamilbe ist Träger und Vertreiter verschiedenster Viren und Krankheiten, an welchen sich Wildbienen bei Honigbienen anstecken können.
Interessante Websites, Bücher und Artikel zum Thema:
FIBL-Faktenblatt "Wildbienen und Bestäubung" (2014)
Das sehr empfehlenswerte Buch "Wildbienenschutz - von der Wissenschaft zur Praxis" befasst sich in einem Kapitel mit dem Thema Nahrungskonkurrenz.
Wildbienen vs Honigbienen hervorragende Übersicht von wildbienen.de
Nahrungskonkurrenz Honigbiene vs. Wildbienen und andere Bestäuber - hervorragender Beitrag von Naturspaziergang.de
"Wildbienen sollen den Honigbienen helfen", Tagesanzeiger, 12.5.10
Artikel "Unterschätzte Wildbienen", NZZ, 7.11.2007
"Hummeln ziehen gegenüber Bienen den Kürzeren von der Aktion Hummelschutz
Konkurrenz von Bienen und Problematisches Verdrängen,
Seite 56 aus Agroscope, 2000: "Die Bestäubung der Blütenpflanzen durch Bienen"
Wenn die Bienen verschwinden,
hat der Mensch
nur noch vier Jahre zu leben;
keine Bienen mehr,
keine Pflanzen,
keine Tiere,
keine Menschen mehr.
(Quelle unbekannt)
Das oft fälschlicherweise Albert Einstein zugeschriebene Zitat ist nicht wissenschaftlich. Vielleicht war damit aber die Gesamtheit der Bestäuber gemeint? Dann würde es tatsächlich sehr eng für die Menschenheit ...